Ein Leben ohne Bücher? Undenkbar!

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04. November 2008

Dänischenhagen - "Och, nö", ist spontan die Antwort am Telefon, als unsere Zeitung um ein Interview bittet.

"Ich arbeite gerne im Verborgenen", fügt Christa Bielfeldt erklärend hinzu und lässt sich dann aber doch überreden. Seit fast genau 30 Jahren leitet die 69-jährige Dänischenhagenerin ehrenamtlich die Schulbücherei der Grundschule. - Und ist damit eine Ausnahme auf diesem Gebiet. Üblicherweise werden diese Einrichtungen von Lehrern betreut. Es hat sich viel verändert in dieser Zeit", sagt Christa Bielfeldt und schließt den Klassenraum im Erdgeschoss auf. Seit rund drei Jahren ist der helle Raum ihr Domizil. An der Tür ist ein Mäuse-Poster mit der Aufschrift "Lesen bis zum Umfallen" angeklebt, an den Wänden hängen Bilder von Harry Potter, dem Maulwurf Grabowski, Pettersson und Findus. Hunderte von Büchern stehen in offenen Holzregalen und warten auf lesehungrige Kinder. "Rund 3000 Bücher habe ich", sagt Christa Bielfeldt nicht ohne Stolz. "Anfangs waren es aber auch schon 500."

Anfangs, das ist Ende der 70er Jahre, als die bisherige Büchereileiterin, Silke Wohjahn, keine Zeit mehr für diesen ehrenamtlichen Job hat. Eine Bekannte empfiehlt die zweifache Mutter Christa Bielfeldt, und die sagt nicht Nein. Seitdem ist sie dabei. Damals noch in einem kleinen Nebenraum im Schulgebäude, mit angedübelten Stahlregalen an den Wänden. Seit den 50er Jahren war die Bücherei dort.

Doch an diese Zeit erinnern heute nur noch alte, vergilbte Bücher in den obersten Regalen. "Die haben wir noch aufbewahrt, auch wenn sie kein Kind mehr ausleiht", sagt Christa Bielfeldt und zieht ein Exemplar mit dem Titel "Glitsch, der Wasserschreck" hervor. Eine Geschichte über einen Hecht, die die älteste ihrer beiden Töchter früher gerne gelesen hat. "Heute mögen Mädchen am liebsten Feenbücher", so ihre Erfahrung, "Jungs dagegen wollen Bücher über Fußball, Dinosaurier oder Detektive." Und: "Inzwischen lernen die Kinder viel besser lesen. Früher bekam so mancher Viertklässler nicht einmal den Buchtitel flüssig über die Lippen."

Immer im Frühjahr kauft Christa Bielfeldt für 300 Euro, die die Gemeinde zu Verfügung stellt, neue Bücher ein. Ein Festtag für sie. Wochenlang vorher stöbert sie im Internet, informiert sich über Neuerscheinungen, liest Kritiken und Empfehlungen. "Es ist ja nur für Sechs- bis Zehnjährige", sagt sie bescheiden, "für ältere Kinder würde ich mir das nicht mehr zutrauen. Da sind die Interessenslagen einfach zu verschieden." Die Fahrbücherei Flensburg steuert zwei Mal im Jahr weitere 70 Bücher dazu.

Ihre beiden Töchter, Gisa und Winnie, sind inzwischen 38 und 33 Jahre alt. Ihr Mann ist im Ruhestand. Und doch denkt Christa Bielfeldt, die früher technische Angestellte bei "Hell" in Kiel war, noch lange nicht ans Aufhören. "Dafür sind Bücher einfach zu spannend", sagt die leidenschaftliche Leserin. Bei ihr zu Hause stehen allein 500 Biografien im Schlafzimmer. Im ehemaligen Zimmer der einen Tochter reihen sich Sach- und Gesundheitsbücher dicht an dicht. Und dann kommen noch die vielen Regale im Wohnzimmer dazu. Halt ein Bücherhaushalt. Während sie als Kind "Elke"- und Pucki"-Bücher verschlungen hat, haben es ihr heute Bücher des Neurologen Oliver Sacks angetan. Sie liebt "Der Schatten des Windes" von Carlos Ruiz Zafón oder das Sachbuch "Der Duft der Verführung" von Lyall Watson. "Hätten Sie gewusst, dass sich Hirsche die Knie reiben und damit Duftstoffe aktivieren, an denen die Tiere erkennen können, wer zum Rudel gehört?" Aber das ist eine andere Geschichte.


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